Gelungenes Gedenken: Musik am Rande des Lebens

Gelungenes Gedenken: Musik am Rande des Lebens

Wie erinnert man an die Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden? Wie gedenkt man der 6 Millionen Opfer?

Anlässlich des Holocaust-Gedenktages am 27. Januar, der an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz erinnert, wurde am 04.Februar 2022 an unserer Schule eine besondere Antwort auf diese Frage gefunden.

Mit einem musikalischen Abend wurde – am Beispiel von Walter Joseph – ein Schicksal aus der Zeit der Judenverfolgung beleuchtet. Sein Enkel Dietmar Joseph hat sich intensiv mit der Geschichte seines Großvaters beschäftigt, der als Musiker einige Zeit im Ghetto Theresienstadt gelebt hat, bevor er nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde.

Anschaulich und lebendig erzählte Dietmar Joseph vom Leben und Sterben in Theresienstadt. In diesem „Vorzeigelager“ der Nazis wurde auch ein Film gedreht, welcher über den wahren Charakter der Inhaftierungen hinwegtäuschen sollte.
 Hier waren viele Künstler:innen, vor allem Musiker:innen inhaftiert, die nach 12- stündiger Zwangsarbeit Opern und Konzerte auf die Bühne brachten und sich so der nationalsozialistischen Inhumanität entgegenstellten.
 Herr Joseph ergänzte seine Schilderungen über den Alltag in Theresienstadt mit Auszügen aus Ruth Klügers Roman „Weiter leben“. Hier verarbeitet die Autorin nicht nur ihre eigenen Erlebnisse in Theresienstadt, sondern reflektiert zudem, wie man mit der Erfahrung des Überlebens im Konzentrationslager Auschwitz überhaupt weiterleben kann.


Wesentlicher Teil des Abends war aber die Musik: Musik, die in Theresienstadt aufgeführt wurde, und auch solche, die von den Nationalsozialisten verboten worden war. Vor den ca. 50 Gästen spannte sich der Reigen von der klassischen Musik bis hin zum Klezmer und zum Swing. Beeindruckend waren die Arien der beiden Sängerinnen Marianne Bruhn (Sopran) und Brigitte Rickmann (Mezzosopran), die von Dietmar Joseph am Klavier begleitet wurden. Und als Marianne Bruhn Mahlers Lied „Mutter, ach Mutter, es hungert mich“ erklang, ging dies unter die Haut – die Not der Inhaftierten brauchte keine weiteren Worte.
 Doch gab es auch viel fröhliche, kraftvolle und dem Leben zugewandte Musik zu hören.

Bei einigen Stücken dieses großartigen Konzerts wirkten auch Schülerinnen und Schüler mit: Svenja, Kilian und Ksenia im Gesang, Mateusz am Schlagzeug und Danil am Saxophon – sie alle musizierten und sangen mit den Profis bei jiddischen Liedern. Und als dann auch noch das Publikum beim Wiegenlied „Tumbalalaika“ den Refrain mitsingen durfte und beim Abschlusslied „Mir lebn ejbig“ („Wir leben ewig“) rhythmisch klatschte, wurde jüdische Kultur erleb- und erfahrbar.

Am Ende bedankte sich Herr Colditz bei allen Aktiven für die musikalischen Beiträge, aber auch für diese besondere Form der Erinnerungskultur, bei welcher der Lebenden und der Toten gedacht werden konnte. Wir freuen uns, dass wir an dieser besonderen Veranstaltung teilhaben durften, bei der sich hochklassige Musik mit dem Gedenken an die Millionen Opfer nationalsozialistischer Herrschaft und Verfolgung verband.

A. Warlier